Axel T. Schulte ist Abteilungsleiter für „Einkauf und Finanzen im Supply Chain Management“ am Fraunhofer IML in Dortmund und aktives Mitglied im Projekt Blockchain Europe. Wenn es um Blockchain geht, ist sein Motto: Loslegen, auch wenn die Lösung vielleicht nur zu 90 Prozent fertig ist. Einen Einblick gibt er uns in den Blockchain-Perspektiven.

Was treibt dich in deiner täglichen Arbeit im Themenbereich der Blockchain-Technologie an?

Der Blockchain-Technologie – im Zusammenspiel mit anderen Technologien und anhand konkreter Anwendungsfälle – in Deutschland und Europa schnell zum Erfolg zu verhelfen und nicht anderen das Feld zu überlassen. Das zu schaffen und hier einen Beitrag zu leisten, das treibt mich jeden Tag an, gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen bei Fraunhofer und den Partnerinnen und Partnern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Welche Herausforderungen und Chancen siehst du bei den Themen Digitalisierung und Blockchain?

Was Abhängigkeiten in Lieferketten bedeuten, sehen und spüren wir aktuell. In Verbindung mit anderen Entwicklungen und Zielen, wie bspw. im Rahmen der Nachhaltigkeit, stellt uns das derzeit vor enorme Herausforderungen. Um Abhängigkeiten zu reduzieren, benötigen wir auch Technologie-Führerschaft.

Im Hinblick auf die Digitalisierung und digitale Geschäftsmodelle für den B2C-Bereich ist uns das nicht gelungen. Hier dominieren heute die großen Plattformanbieter aus anderen Regionen den Markt und setzen Standards. Im B2B-Bereich hat Europa – und allen voran Deutschland – noch viele Chancen. Unsere Voraussetzungen mit den Branchen Maschinenbau, Automotive, Pharma & Chemie sowie dem starken und innovativen Mittelstand sind nach wie vor extrem gut. Aber wir müssen das Zeitfenster nutzen, bevor es sich schließt.

Wir sollten uns also die Technologie-Führerschaft in Deutschland und Europe im Bereich Blockchain sichern – was braucht es dafür?

Auch wenn die Blockchain-Technologie den `Proof of Concept´ in vielen Fällen noch erbringen muss und ausrollbare Minimal Viable Products noch die Ausnahme sind, geht es jetzt darum, die Möglichkeiten zu nutzen. Wir dürfen nicht warten, bis alle Fragen hinsichtlich Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit geklärt, bis alle Sicherheitsrisiken untersucht und im Idealfall alle Standards geschaffen sind. Die letzten 10 Prozent zur 100-prozentigen Perfektion kosten uns 90 Prozent des Aufwands und wertvolle Zeit. Zeit, die wir nicht haben, wenn wir im Bereich Blockchain führend werden wollen. Wenn wir die zukünftigen digitalen Geschäftsmodelle selbst entwickeln und nutzen wollen, anstatt uns zukünftig auf die Rolle des Zulieferers und Konsumenten beschränken zu müssen.

Scheint, als müssten wir jetzt schnell handeln?

Wir müssen jetzt loslegen, nicht morgen, nicht erst im nächsten Quartal und auch nicht im nächsten Jahr. Auch wenn wir den Ausgang und das genaue Kosten-Nutzen-Verhältnis noch nicht kennen. Auch wenn Rest-Risiken bleiben und wir nicht genau wissen, ob es oder welcher Teil am Ende funktioniert.

Unsere EnterpriseLab-Partner Commerzbank, Rhenus, Telekom und andere gehen diesen Weg bereits, mit eigenen Mitteln. Auch mittelständische Partner wie Piel (im Bereich technischer Großhandel), EJOT (im Bereich Automotive) und die Brüder Kronhardt (im Bereich Tunnelbau) entwickeln und testen bereits Blockchain-basierte Lösungen mit uns. Mit der durch das Land NRW und Minister Pinkwart finanzierten Initiative `Blockchain Europe´ und den hier von uns entwickelten Lösungen, die Open Source gestellt werden, kommt weitere Unterstützung. Wir verbinden diese Aktivitäten eng mit der ebenfalls bei uns am Fraunhofer IML verankerten Initiative zur `Silicon Economy´, in der ebenfalls Open Source-Lösungen entwickelt werden, die allen Interessierten zur Verfügung stehen.

Dr. Axel T. Schulte | Fraunhofer IML | +49 231 9743-298 | axel.t.schulte@iml.fraunhofer.de