„Resilienzfaktor Digitalisierung“ lautete das Thema des diesjährigen Talks von Blockchain Europe zum bundesweiten Digitaltag: Prof. Dr. Michael Henke, Institutsleiter am Fraunhofer IML und verantwortlich für das Projekt, sowie die Blockchain-Experten Carina Culotta und Josef Kamphues diskutierten dabei, wie die Blockchain-Technologie einen Beitrag für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in Supply Chains leisten kann.
Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg sind die in den vergangenen Jahren sicherlich weitreichendsten Ereignisse, die internationale Lieferketten verwirbelten – aber sie sind bei weitem nicht die einzigen Krisen, die das Supply Chain Management belastet haben und die es auch in Zukunft noch herausfordern werden. Die weltweit verzweigte Wertschöpfung ist verwundbar, stellten die Protagonisten aus dem Projekt Blockhain Europe im Digitaltag-Talk klar fest. „Unsere heutigen Methoden und Instrumente im Supply Chain Management reichen dabei offenkundig nicht aus, um externen Schocks wirkungsvoll zu begegnen. Es braucht daher ein neues Supply Chain Management – eines, mit dem wir das Unplanbare planen können“, so Prof. Dr. Michael Henke. In den letzten Jahren sei im Supply Chain Management vor allem das Kosten-Nutzen-Verhältnis betrachtet worden – mit dem Ergebnis, dass Bestände kaum noch vorhanden seien oder sich im wahrsten Sinn des Wortes „auf der Straße“ befänden. Es liege angesichts der jüngsten Krisen auf der Hand, dass es ein neues Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen brauche bzw. dass – neben der Effizienz – das Thema Resilienz im Supply Chain Management eine neue Bedeutung erhalten müsse. Eine Grundvoraussetzung dafür sei Transparenz.
Carina Culotta, bei Blockchain Europe für Fragestellungen zu blockchain-basierten Geschäftsmodellen verantwortlich, verwies darauf, dass heute kein Unternehmen mehr allein die Flut an Prozessen und Akteuren in einer Supply Chain oder einem Wertschöpfungsnetzwerk organisieren könne. Deshalb brauche es digitale Plattformen, auf denen Unternehmen Informationen teilen, mit anderen Organisationen zusammenarbeiten und von ihnen lernen und so im Ergebnis die Weiterentwicklung ihres Supply Chain Managements vorantreiben könnten. Durch die Blockchain-Technologie, so Josef Kamphues, als Abteilungsleiter am Fraunhofer IML nicht zuletzt für das Thema Supply Chain Strategy zuständig, können die Rolle des einzelnen Unternehmens auf einer Plattform bzw. in einem Plattformen-Ökosystem gestärkt werde: „Häufig gibt es bei Unternehmen Befürchtungen, dass man sich durch die Teilnahme an Plattformen in Abhängigkeiten begeben könnte. Mit der dezentralen Plattform-Ökonomie schaffen wird aber gerade die Grundlagen und Möglichkeiten dafür, dass alle Unternehmen ihre Daten miteinander teilen können – zum Wohl der gesamten Gemeinschaft.“ Mit der Blockchain-Technologie beispielsweise ließen sich Informationen so verteilt speichern, dass in Krisensituationen neue Akteure schnell zu gleichwertigen und vertrauenswürdigen Partnern werden: „Durch die Verbindung von Blockchain mit der Plattform-Ökonomie haben wir ein mächtiges Werkzeug zur schnelleren Adaption von Lieferketten in der Hand.“
Professor Dr. Michael Henke unterstrich vor diesem Hintergrund die steigende Bedeutung von Open Source-Software, wie sie auch bei Blockchain Europe entwickelt wird. Mit den Basiskomponenten steht Unternehmen hier ein Grundgerüst zur Verfügung, an das sie mit spezifischen Anwendungsfällen andocken können. Ein Beispiel dafür sei, so Josef Kamphues, die „digitale Mappe“. Carina Culotta warb dafür, Open Source ganzheitlich zu betrachten: „Für mich ist Open Source ein ganz wichtiges Managementthema: Unternehmen müssen sich fragen, wie sie ihre Organisation aufstellen, mit welchen Prozessen sie open source gehen wollen und wo sie von der Entwicklung in der Community profitieren.“ Dabei haben Unternehmen inzwischen in der Open Logistics Foundation, einer neuen Initiative zur Open Source-Entwicklung in der Logistik, die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Unternehmen Lösungen für Standardprozesse zu entwickeln, die vielen Unternehmen zugutekommen – auch und gerade mit Blick auf die Resilienz der Lieferketten.
Das komplette Video des Digitaltag-Talks (49:29) gibt es hier online.