Als Referent Blockchain beim Digitalverband Bitkom e.V. versteht sich Benedikt Faupel als Sprachrohr der vielfältigen Blockchain-Industrie und als Vermittler zur Politik. Im Beirat von Blockchain Europe will sich der Blockchain-Experte nun dafür einsetzen, konkrete Praxisbeispiele stärker in den Vordergrund zu rücken. Im Gespräch mit Blockchain Europe erläutert Faupel, was Unternehmen jetzt tun können und müssen – ein Beitrag zu unserer Reihe „Perspektiven“.

Als Vertreter eines Branchenverbands haben Sie einen guten Überblick über die Lage: Wichtige Zukunftstechnologie oder untauglich für die Praxis – wie stehen die deutschen Unternehmen zur Blockchain?

Blockchain gilt bei der Mehrheit der Unternehmen als wichtige Zukunftstechnologie.

Nur eine Minderheit der Unternehmen in Deutschland – sieben Prozent – nutzt allerdings laut einer repräsentativen Befragung des Bitkom unter mehr als 650 Unternehmen die Blockchain-Technologie, plant den Einsatz oder diskutiert zumindest darüber – aber bei denen, die es tun, sind die Erwartungen groß. So geben 94 Prozent dieser Unternehmen an, dass sie mit Hilfe der Blockchain neue Produkte oder Dienstleistungen anbieten können. Und fast alle – tatsächlich 99 Prozent – sagen, dass sie mit Hilfe der Blockchain bestehende Produkte oder Dienstleistungen anpassen wollen.

Und wie ist Deutschland als Wirtschaftsstandort in Sachen Blockchain aufgestellt?

Deutschland hat im Bereich Blockchain eine gute Ausgangslage. Die 2019 verabschiedete Nationale Blockchain-Strategie zeigt, dass Deutschland eine internationale Vorreiterrolle einnehmen kann. Auch im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die Chancen der Blockchain-Technologie genutzt werden sollen. Im Finanzbereich beispielsweise wurden und werden durch diverse Gesetzesvorhaben zu Kryptowerten und Kryptowertpapieren die Weichen für den breiten Einsatz der Technologie gestellt. Und auch in zahlreichen Branchen wie der Logistik kommt Blockchain bereits konkret zum Einsatz. Mit vielen innovativen Start-ups und aufgeschlossenen Konzernen in unterschiedlichsten Branchen gehört Deutschland auch wirtschaftlich zu den »Blockchain-Hotspots« weltweit.

Allerdings halten sich hierzulande viele Irrtümer zur Blockchain hartnäckig. Welche hören Sie besonders häufig?

Es sind vor allem drei. Erstens: Blockchain ist gleich Bitcoin. Zweitens: Blockchains und Kryptowährungen dienen nur als Spekulationsobjekt. Und drittens: Blockchains und Kryptowährungen sind nicht reguliert.

Und wie stellen Sie das richtig?

Dazu muss ich schon ein bisschen ausholen: Bitcoin ist eine Kryptowährung, die auf der Blockchain-Technologie basiert. Es gibt aber über tausend andere Kryptowährungen. Blockchains werden dabei nicht nur für Kryptowährungen eingesetzt. Es gibt vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, wie z.B. in der Logistik zur Überprüfung von Lieferketten oder verbesserter Transportplanung. Außerdem entstehen immer wieder neue Ideen und es entwickeln sich weitere Anwendungsfelder, die neue Möglichkeiten für die Blockchain-Nutzung bieten. Zudem ist die Regulierung von Blockchain-Technologie und Kryptwährungen in den letzten Jahren stark vorangeschritten. Als Bitkom setzen wir uns für eine sinnvolle und effiziente Regulierung ein. Auf europäischer Ebene wird gerade die Markets-in-Crypto-Assets Regulation (MiCA) finalisiert, mit der ein einheitlicher europäischen Markt für Blockchain-basierte Finanzprodukte entstehen soll. Wichtig ist aber auch, dass zum Beispiel im Bereich Geldwäschebekämpfung bei Kryptowerten nicht eins zu eins regulatorische Vorgaben aus dem klassischen Finanzsystem angewendet werden, sondern auf neue technologische Möglichkeiten der Blockchain gesetzt wird.

Noch einmal zurück zu den Unternehmen: Ist Blockchain zurzeit eher ein Thema in den großen oder auch in den mittelständischen und kleinen Unternehmen?

Unsere Studie hat gezeigt: Vor allem Großunternehmen beschäftigen sich zurzeit intensiv mit der Blockchain. Rund zwei Drittel der Unternehmen mit 2.000 oder mehr Beschäftigen tun dies sehr intensiv, bei denen mit 500 bis 1.999 Beschäftigten sind es immerhin noch 29 Prozent. Im Mittelstand mit 100 bis 499 Beschäftigten liegt der Anteil mit 15 Prozent deutlich darunter und nur neun Prozent der Unternehmen mit 50 bis 99 Beschäftigten setzen sich intensiv mit der Blockchain auseinander.

Was planen die Unternehmen denn mit Blick auf die Blockchain? Wo sehen sie Einsatzpotenziale?
73 Prozent der Unternehmen planen vor allem den Einsatz in den Bereichen Finanzen, Buchhaltung oder Controlling. Dahinter folgen mit deutlichem Abstand die Bereiche „Logistik, Lager und Versand“, „Einkauf“ und „Produktion“.

Immer öfter liest man, dass Deutschland droht, bei der Blockchain den Anschluss zu verlieren. Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit sich die Technologie jetzt durchsetzt?

Die Bundesregierung sollte bei der Etablierung von Standards stärker vorangehen und für Vertrauen in diesem noch jungen Markt sorgen. Es braucht außerdem einen massiven Ausbau der Blockchain-Expertise im Hochschulbereich. Es müssen neue Lehrstühle und Kurse an der Schnittstelle zwischen Informatik und Wirtschaft geschaffen werden. Blockchain muss analog zu Industrie 4.0 und KI ein IT-Fokusthema in der Forschungslandschaft werden. Außerdem muss ein eigener Blockchain-Hub bzw. ein Blockchain-Kompetenzzentrum als zentraler Ansprechpartner und Netzwerkbilder für KMUs, Start-ups und Großunternehmen eingerichtet werden. Zudem brauchen wir einen Blockchain-spezifischen Fördertopf mit eigenen finanziellen Mitteln zur Förderung der Technologie. Die Einrichtung einer zentralen Kompetenzstelle für Blockchain-Anwendungen in der Verwaltung wäre ein sinnvoller Schritt.

Wie wichtig sind Open Source und Anwender- bzw. Entwickler-Communitys für den Einsatz der Blockchain-Technologie?

Bei der Blockchain gilt dasselbe wie für andere neue, innovative Technologien, wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz: Open Source kommt in diesen Bereichen eine wichtige Bedeutung zu, weil dort das Entwicklungstempo besonders hoch ist. Durch den offenen Quellcode und die Möglichkeit, viele Menschen in die Entwicklung einzubinden, können besonders schnell neue Anwendungen entwickelt werden, die wiederum Grundlage für technologische Innovationen sind.

Als Mitglied im Beirat von Blockchain Europe: Wofür wollen Sie bzw. der Bitkom sich einsetzen?

Der Bitkom versteht sich als Sprachrohr und Plattform für die Blockchain-Technologie in Deutschland. Wir versammeln IT-Industrie, Finanzindustrie, Blockchain-Startup-Szene, Rechtsexpertinnen und -experten, Wissenschaft, Regulatoren und politische Stakeholder, um das Thema Blockchain aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und die dafür geeigneten Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa zu schaffen. Wir möchten, dass Deutschland und Europa zu einem Blockchain-Hotspot und Vorreiter werden. Als DAS kompetente Blockchain-Netzwerk in Deutschland möchten wir Blockchain Europe dabei unterstützen, die konkreten Praxisbeispiele der Blockchain-Technologie stärker in den Vordergrund zu rücken und den Austausch zwischen unterschiedlichen Stakeholdern zu verbessern.


Benedikt Faupel

Digitalverband Bitkom e.V.

Referent Blockchain